Bester Nichtberliner

Am Fronleichnam-Wochenende wurde die Deutsche Pokal Einzelmeisterschaft (Dähne-Pokal, DPEM) in Wiesbaden ausgetragen. Und wo kann man den folgenden Bericht besser schreiben als im traumhaften Wiesbadener Schlosspark.


Das Turnier fand parallel zur Endrunde der Deutschen Amateuermeisterschaft im Ramada-Hotel Niedernhausen statt. Die Amateuermeisterschaft ist ein Turnier mit sechs Vorrunden an verschiedenen Wochenenden im Jahr, in denen man sich für die Endrunde qualifizieren kann. Das Besondere ist, dass das Turnier in sechs DWZ-Gruppen gespielt wird. In jeder der Gruppen wird am Ende ein Deutscher Meister gekürt. Vizemeister in der A-Gruppe wurde übrigens Detlev Wolter aus Höntrop, gegen den ich schon zweimal im SVR-Pokal gespielt habe. Trotz Schwarzsieg in der letzten Runde und viel besserer Buchholz fehlte ihm am Ende lediglich ein halber Punkt zum ersten Platz. Trotzdem auch hier nochmal meinen herzlichen Glückwunsch! Insgesamt ist die Amateuermeisterschaft ein sehr professionell organisiertes Turnier, das man nur weiterempfehlen kann. Dieses Jahr gab es eine Rekordzahl von über 2100 Teilnehmern!

Zur Qualifikation für die DPEM musste ich mich durch drei Vorturniere kämpfen. Auf Bezirksebene (eines meiner ersten Turnier nach einer längeren studiumsbedingten Schachpause) kam ich bis ins Finale und konnte mir dort im Schnellschach gegen Holger Heimsoth den Titel sichern. Holger hatte sich bereits im Jahr zuvor als SVR- und NRW-Pokalsieger für die Deutsche Pokalmeisterschaft qualifiziert und ist dort sensationell Dritter geworden. Erst im Halbfinale war er im Blitzentscheid an einem IM gescheitert, dem er erst in der achten (!) Blitzpartie unterlag (alle vorherigen Partien endeten Remis).

Auf SVR-Ebene rechnete ich mir dann nicht sehr große Chancen aus, wurde aber nach einigen Zitterpartien unglaublicherweise Meister. Bereits als Finalteilnehmer hatte ich mich dann für die NRW-Pokalmeisterschaft qualifiziert, wo ich ebenfalls bis ins Finale kam. Erst im Finale unterlag ich Marcel Harff im Blitzen.

Aber mit dem Erreichen des Finals war ich bereits für die Endrunde in Wiesbaden qualifiziert, in der aus den mitgliederstärksten Landesverbänden zwei Teilnehmer mitspielen dürfen. Insgesamt waren 32 Spieler qualifiziert, von denen aber leider nur 28 erschienen sind. Die Meisterschaft ist ein fünfrundiges KO-Turnier mit anschließendem Schweizer System. Scheidet man im KO-Turnier aus, so kommt man also trotzdem auf seine fünf Partien. Endet eine Partie im KO-Turnier remis, so wird ein Blitzentscheid über zwei Partien gespielt. Endet dieser 1-1, so entscheidet die erste Gewinnpartie. Solange man nicht ausgeschieden ist, bekommt man zudem für jedes Weiterkommen einen Punkt, unabhängig davon ob die Turnierpartie remis endete oder gewonnen wurde. Aufgrund von nur 28 Teilnehmern gab es nach der ersten Runde zwei „Lucky Loser“, die trotz Niederlage per Losentscheid im Turnier blieben.

In der ersten Runde spielte ich mit Weiß gegen Dr. Gero Poetsch (etwa 1900 DWZ), Vater von Vorjahressieger IM Hagen Poetsch. Ich hatte also etwas Losglück, die meisten Teilnehmer waren mit 2100-2300 DWZ deutlich stärker. Da die Auslosung erst eine Minute vor Rundenbeginn bekannt wurde, spielte ich allerdings ohne konkrete Vorbereitung. Es kam eine mir unbekannte Französisch-Variante auf’s Brett, in der ich mich ruhig aufbaute. Ich dachte irgendwann eine gute Stellung zu haben, was aber im Nachhinein betrachtet nicht der Fall war. Zu meinem Glück wählte mein Gegner aber bei seiner Rochade die falsche Seite, wonach ein Königsangriff von mir die Partie entschied. Mit etwas Glück also ein guter Start ins Turnier.

In Runde 2 musste ich dann aber mit Schwarz gegen René Ederer (etwa 2200 DWZ) ran. In der Vorbereitung schaute ich mir den Lg5-Holländer an, der auch auf’s Brett kam. In einer Nebenvariante erhielt ich nach einer Weile eine sehr gute Stellung, vor allem aufgrund eines auf g3 zubetonierten weißen Läufers. Mit wenig Zeit patzte ich den Vorteil allerdings wieder ein und kam in eine schlechtere und zwischenzeitig vermutlich sogar verlorene Stellung. Schließlich wickelten wir in ein Läuferendspiel ab, in der mein Gegner vier und ich lediglich zwei Bauern hatte. Allerdings spielte mein Gegner noch mit dem schlechten Läufer auf g3, während mein schwarzfeldriger Läufer das Brett dominierte. Schließlich konnte ich trotz zweier Minusbauern unglaublicherweise das Remis sichern. Im anschließenden Blitzentscheid konnte ich mit Schwarz ohne Probleme ein Remis halten und anschließend mit Weiß im Franzosen gewinnen. Ich konnte es nicht glauben: Ich war im Viertelfinale!

In Runde 3 fand ich es ein wenig schade, dass ich gegen Marcel Harff (etwa 2300 DWZ) gelost wurde. Ich finde, dass Spieler aus demselben Landesverband erst im Finale gegeneinander gelost werden sollten. In der Partie hatte ich Weiß und bekam in einem Sizilianer eine relativ angenehme Stellung. Ich konnte die leichte Unterentwicklung meines Gegners nutzen und hätte vielleicht sogar ein Endspiel mit einem oder zwei Mehrbauern, allerdings mit guter Kompensation für den Gegner, bekommen können. In dieser unklaren Stellung bot ich dann remis, das Marcel auch annahm. Da ich im NRW-Blitzentscheid ziemlich überspielt wurde, rechnete ich mir aber im anschließenden Blitzen keine großen Chancen aus. Ich bereitete mich aber gut auf die Partien vor und wurde belohnt. Die erste Partie war ein c4-Holländer, den ich mir vorher angeschaut hatte (die Variante kam auch in der NRW Blitzpartie auf’s Brett). Ich baute mich solide auf und konnte schließlich sogar eine Qualität gewinnen. Allerdings hatte mein Gegner das Läuferpaar und es war schwierig die Stellung zu verwerten. Ich verbrauchte viel Zeit und fairerweise nahm Marcel schließlich mein Remisangebot an (ich hatte unter 20 Sekunden auf der Uhr, er glaube ich etwa eine Minute). In der Endstellung hatte ich zwar einen Freibauern erspielt, aber die Zeit war das Hauptproblem. In der anschließenden Weißpartie konnte ich dann aber nach einem Doppel-Bauerneinsteller direkt punkten und war im Halbfinale! Nochmals sehr fair gespielt (!) und sehr schade, dass sich die NRWler gegenseitig rauskicken mussten. Halbfinale, wow!

Im Halbfinale wurde die Luft aber langsam dünn. Ich wurde mit Schwarz gegen IM von Herman (etwa 2300 DWZ) gelost, erstmals sogar mit Liveübertragung an Brett 1. Unglaublicherweise kam dann auch exakt die Variante auf’s Brett, die ich auch gegen Marcel Harff im Blitzen gespielt hatte. Mein Gegner, sichtlich unwohl in seiner Stellung, verbrauchte viel Zeit und bot mir schließlich vielleicht in leicht schlechterer Stellung ein remis an, das ich auch annahm. Vielleicht hätte ich weiterspielen sollen, aber gegen einen IM lehnt man ungern ein Remis ab. Ich sah auch keinen konkreten Plan für mich auf Gewinn zu spielen. Im anschließenden Blitzentscheid startete ich erstmals mit Weiß und es kam eine von mir vorbereite Variante auf’s Brett. Ich erhielt eine optisch gute Stellung, fand aber in der Kürze der Zeit erneut keinen guten Plan auf Gewinn zu spielen und bot deshalb remis an. Auch hier vermutlich wieder eine unkluge Entscheidung alles auf eine anschließende Schwarzpartie zu setzen. In dieser kam eine mir bekannte Variante auf’s Brett, in der ich aber leider im späteren Verlauf die Varianten verwechselte und erst eine sehr unangenehme und anschließend verlorene Stellung erhielt, die ich nicht mehr halten konnte. Trotz Niederlage war ich aber nicht wirklich enttäuscht. Ich spielte schließlich gegen einen IM und hatte die Turnierpartie remis gespielt.

Das Ticket für’s Finale hatte sich neben meinem Gegner auch FM Paulsen mit sagenhaften 4/4 (ohne Blitz) erspielt. Die Besonderheit war, dass hier beide Spieler aus dem Berliner Landesverband kamen, der Titel ging also auf jeden Fall nach Berlin. In der Turnierpartie konnte IM von Herman seinen optischen Vorteil nicht verwerten und es kam auch hier zu einem Blitzentscheid.

In meiner letzten Runde dachte ich ein Spiel um Platz 3 spielen zu können (gegen den anderen Verlierer des Halbfinals). Es wurde aber frei im Schweizer System gelost und ich spielte (erneut mit Schwarz) gegen FM Buchal. Es kam auch wieder eine von mir vorbereite Variante auf’s Brett, in der ich nur wenige Minuten verbrauchte, mein Gegner aber ca. ein Stunde. Ich bot deshalb (auch aufgrund meiner sehr guten Buchholz, die mir einen guten Platz 3-5 garantierte) Remis an, das mein Gegner trotz nur noch 30 Minuten Bedenkzeit ablehnte! Er konnte aber keine gewinnbringende Variante finden und spielte schließlich einige passive Züge, die mir etwas Vorteil brachten. Mit nur noch 10 Minuten auf der Uhr bot er mir dann selbst remis an. Ich sah auch hier keinen konkreten Weg die Stellung auf Gewinn zu spielen, so dass ich das Remis annahm. In der anschließenden ca. einstündigen Analyse fanden wir zumindest für seine Seite keinen Weg sinnvoll auf Gewinn zu spielen. Vermutlich bietet mir die Variante einfach Ausgleich.

In der letzten Runde gab es vier Spieler mit 3 Punkten, die gegeneinander spielten. Neben meiner Partie endete auch die andere Partie remis, so dass die Buchholzwertung über den dritten Platz entscheiden musste. Hier war vor allem das Ergebnis der Blitzpartie um den Titel entscheidend, da meine direkten Konkurrenten gegen Paulsen, ich gegen von Herman gespielt hatte. Ich hoffte also auf einen Sieg meines Halbfinalgegners.

In der Blitzentscheidung ging die erste Partie mit Schwarz an von Herman, während die zweite (dann ebenfalls mit Schwarz) aber an Paulsen ging. In der dritten Partie behielt Paulsen die Nerven und konnte eine etwas schlechtere Stellung verteidigen, wonach von Herman mit nur noch wenigen Sekunden auf der Uhr und mittlerweile wohl schlechterer Stellung aufgab. Herzlichen Glückwunsch an den Turniersieger Paulsen mit einer phantastischen DWZ-Performance von 2606!

Dies bedeutete aber für mich nichts Gutes, denn mein Buchholzvorsprung war damit dahin. Zudem wurde bis zur Siegerehrung keine Endtabelle veröffentlicht, so dass bis zum Schluss offen blieb ob es Rang 3 wird.

In der abendlichen Siegerehrung mit leckerem Büffet kam dann die Auflösung: Gleiche Buchholz mit Hans-Elmar Schwing! So musste dann schließlich die SoBerg-Wertung entscheiden, in der ich aber vier Punkte Vorsprung hatte. So wurde es dann tatsächlich ein unglaublicher Platz 3 vor Schwing (Meister von 1997!) und dem fünftplatzierten Marcel Harff!

Anschließend konnten wir dann die nicht ganz so spannende erste Halbzeit und extrem tor(schuss)reiche zweite Halbzeit von Deutschland-Ghana mit Leinwand und etwa 100 Teilnehmern der Siegerehrung genießen. Wollen wir hoffen, dass das 2-2 reicht ;-). Ein sehr erfolgreiches, super organisiertes und wunderbar abgeschlossenes Turnier!

Ich hoffe, ich kann mich auch wieder für das nächste Jahr qualifizieren. Durch den erneuten Einzug ins SVR-Finale (das ich aber leider verlor), habe ich mich auch dieses Jahr wieder für den NRW-Pokal qualifiziert, der Ende des Jahres stattfindet. Falls es diesmal nicht klappt, kann ich ja immer noch überlegen die Amateurmeisterschaft mitzuspielen :-).

So, jetzt erstmal etwas essen gehen in meinem Lieblingsrestaurant in Wiesbaden, direkt hier am Schloss.

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Ilja Ozerov

 

http://www.schachbund.de/news/dirk-paulsen-gewinnt-den-deutschen-pokal.html

http://www.ramada-cup.de/wiesbaden/turnier.html?gruppe=P&typ=tab

http://www.chess-international.de/wp-content/uploads/2014/06/Blitzentscheid-Pokalfinale-von-Herman-vs-Paulsen.jpg

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